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Neues Thermalbad im Aquaticum Waterpark in Debrecen, Ungarn

Leseprobe aus sb Heft 3/2021
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Wasser in allen Dimensionen

Leseprobe aus Heft 3/2021

Der Entwurf von BORD Architectural Studio wurde von der beeindruckenden natürlichen Umgebung inspiriert. Das architektonische Konzept konzentriert sich auf den lebensspendenden Aspekt des Wassers und des umgebenden Waldes. Wasser und Pflanzenwelt finden sich an den horizontalen und vertikalen Flächen des Thermalbads wieder – als Beckenwasser, Rasenflächen, Wasservorhänge und begrünte Wände. Die 5.624 m² großen Wasserflächen sind als eine künstlerische Komposition „verschachtelter“ Räume angeordnet, die den Besucher gleich einer riesigen Oase empfangen. Mehr als die Hälfte der Energie wird aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen.

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Foto: Tamas Bujnovszky

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Foto: Tamas Bujnovszky

Debrecen ist nicht nur die zweitgrößte Stadt Ungarns, sondern auch das kulturelle und wissenschaftliche Zentrum der Region. Das erste öffentliche Bad der Stadt wurde 1826 im klassizistischen Stil erbaut. Im Jahr 1932 wurde bei Ölbohrungen zufällig Thermalwasser gefunden, das dann durch Rohre in den Nagyerdő-Wald geleitet wurde, um dort ein Thermalbad einzurichten.

Das neue Bad befindet sich am selben Ort wie sein Vorgänger und schließt an das bereits bestehende Gebäude des Aquaticum Waterpark an. Aufgrund der Lage in einem geschützten Waldgebiet wurden die Anlagen an den Vegetationsbestand angepasst. Die Bäume bilden den Rahmen für die Rasenflächen des Wasserparks, auf denen die Wasserelemente wie Mosaiksteine angeordnet sind.

Der ehrgeizige langfristige Entwicklungsplan der ­Gemeinde sieht die Umwandlung des geschützten Stadtparks (Natura 2000-Schutzgebiet) und in ein einzigartiges ­Erholungsgebiet vor.

Gut zu wissen

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Foto: Tamas Bujnovszky

Standort
Debrecen, Ungarn

Bauher/Betreiber
Debreceni Gyogyfürdő Ltd.

Architekten
BORD Architectural Studio und BORD HVAC Engineering
HU – Budapest, Debrecen;
CH – Zurich
www.bordstudio.hu

Team
Peter Bordas (Leitender Architekt), Dalma Kiss (Projektleitung), Zsolt Belanyi, Robert Gulyas, Noemi Gyarfas, Dorottya Hindy, Anna Illes, Artur Lente, Linda Lente-Papp, Tamas Mezey, Balazs Moser, Gyorgyi Puspoki, Viola Toth, Istvan Ulmann, Reka Zsolyomi, Kata Zih

Landschaftsarchitekt
Gartenbau:
Judit Doma-Tarcsanyi, Beatrix Bocs;
BORD Architectural Studio:
Andrea Waldmann

Tragwerksplanung
Hydrastat Mernoki Iroda

Autor
BORD Architectural Studio
 

Fotos
Tamas Bujnovszky

Offizielle Eröffnung
Juni 2020

Baukosten
9,5 Milliarden HUF
(27,4 Millionen EUR)

Komponenten des Wasserparks

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Foto: Tamas Bujnovszky

Der Haupteingang des Bades liegt an der kürzlich fertiggestellten Nagyerdő-Promenade. Der lange eingeschossige Eingangsbereich an der Grundstücksgrenze verbindet den neuen Fußgängerweg wie eine Brücke mit dem Wasserpark. Im Eingangsgebäude befinden sich Umkleiden, Toiletten, Einzelhandelsflächen und ein heller Food Court. Die Restaurants sind vom Wasserpark und der Promenade aus zugänglich. Der lange, flache Gebäudekörper fügt sich vom Thermalbad aus betrachtet harmonisch in die Landschaft ein und verfügt über ein wellenförmig geschwungenes begrüntes Dach.

Visueller Höhepunkt des Wasserparks ist ein 196 x 26 m großer und 12 m hoher Quader. Er ist auf allen Seiten offen und durchlässig und beherbergt die verschiedenen Funktionsbereiche, darunter ein Schwimmbecken mit 4 m Tiefe, ein Erlebnisbecken mit 400-m-Rutsche, eine Wassergrotte, ein Schwimm- und Lehrbecken, ein Thermalwasserbecken, eine Relaxzone, eine Sonnenterrasse und mehrere Bars. Zwischen den einzelnen Bereichen erstrecken sich verschiedene 12 m hohe Wände mit Grünpflanzen und vertikalen Wasserspielen.

Der Wasser-Themenpark für Kinder nimmt Motive des Zeichentrickfilms „Der Schatzplanet“ auf. Hier gibt es verschiedene Becken für Kinder jeden Alters: ein Kinderbecken, ein Babybecken, eine Wasserspaßfläche, ein Wellenbad, drei Thermalwasserbecken, einen Strömungskanal und ein Kindertheater.

„Grünes“ Energiekonzept

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Foto: Tamas Bujnovszky

Erneuerbare Energielösungen standen im Fokus von BORD HVAC Engineering bei der Planung für den umfangreichen Energiebedarf des Bades. Das Heizsystem nutzt die Wärme des Thermalwassers. Die Wärmerückgewinnung erfolgt über parallel gekoppelte Wärmetauscher zur Vorerwärmung der Rücklaufleitungen der Zentralheizung für den Wasserpark. Die Wärmetauscher des Fernwärmesystems sind mittels serieller Kopplung hydraulisch in das System eingebunden.

 

Erneuerbare Energiequellen

Der Erneuerbare-Energien-Anteil liegt grundsätzlich bei 50 % und kann auf bis zu 70 % steigen (zum Beispiel an heißen Sommertagen).

Das meist 60°C warme Wasser aus den Thermalbohrungen liefert eine maximale Heizleistung von 1.500 kW. Das Thermalwasser kann über zwei Wasser-Wasser-Wärmepumpen und einen Plattenwärmetauscher auf 50°C oder sogar 45°C heruntergekühlt werden. Die gewonnene überschüssige Wärmekapazität beträgt 300 bis 600 kW.

Der Schutz der Anlagen vor der hohen Temperatur des Thermalwassers erfolgt über ein Dreiwege-Mischventil, das auf der Seite der Wasser-Wasser-Wärmepumpe in jedem Heizkreis vor die Plattenwärmetauscher geschaltet ist.

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Foto: Tamas Bujnovszky

45°C ist die unterste Wärmegrenze des Thermalwassers für die Wärmerückgewinnung und zugleich die erforderliche Mindesttemperatur, um die Thermalwasserbecken in den Sommermonaten bei minimaler Beckenauffüllung auf Temperatur zu halten. Eine der beiden Wärmepumpen gewinnt Wärme entweder aus dem zur Beckenauffüllung verwendeten Thermalwasser oder aus dem Thermalwasser, das aus den Becken abgelassen wird, um eine Überhitzung zu vermeiden.

Das zentrale Gebäudemanagementsystem steuert die auf der Kühlseite der Wärmepumpe angeordneten motorisierten Tauschventile und entscheidet anhand der Temperatur des zu den Becken geleiteten Wassers, wohin die Wärme gehen soll.

Das aus den Thermalbecken abgeleitete 32-34°C warme Wasser wird in ein 84 m³ großes Reservoir direkt neben dem Hauptgebäude geleitet. Das Fassungsvermögen des Reservoirs ist ausreichend für den Ablass des Wassers aus den drei Thermalwasserbecken und die Bereitstellung der Mindestmenge an Zusatzwasser.

Die Thermalwasserpumpe leitet das Wasser aus dem Reservoir in die Plattenwärmetauscher im Hauptgebäude. Das Zentralheizungssystem arbeitet mit zwei Wasser-Wasser-Wärmepumpen, die teilweise gemeinsam und teilweise unabhängig vom Vorsystem genutzt werden. Die Heizleistung beträgt hier 300-600 kW.

Zusätzliche Wärme kann über die Wasser-Wasser-Wärmepumpe des Wärmetauschers gewonnen werden, die für die Kühlung der verschiedenen Gebäudeteile verantwortlich ist. Die Maximalleistung beträgt 200 kW und variiert in Abhängigkeit von der Restaurantauslastung und Außentemperatur.

Zusätzlich wird die Abwärme eines Gasmotors zurückgeführt, um die Temperatur des Rücklaufwassers zu erhöhen. Der Wärmeüberschuss beträgt hier 200 kW.

3 Fragen an Peter Bordas

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Péter Bordás

BORD Architectural Studio, CEO, Founder, Head of Design

Leitender Architekt des neuen Thermalbads im Aquaticum Waterpark in Debrecen, Ungarn

Fotograf: István Tóth

Welches sind die größten Herausforderungen bei der Schwimmbadplanung? 

Die Schwimmbadplanung ist ein komplexes Unterfangen. Als Architekten beginnen wir den Planungsprozess in 2D, mit Zeichnungen und der Definition des „roten Fadens“, der sich durch den Entwurf ziehen soll. Manche Schwimmbadplaner betrachten das Wasser, also den Protagonisten im Planungsprozess, ebenfalls als flaches, zweidimensionales Element. Unser Konzept für das „Aquaticum“ konzentriert sich in wesentlichem Maße auf die große Vielfalt unterschiedlicher Erlebnisse, die ein Schwimmbad seinen Besuchern bieten kann. Daher war es ein „Muss“ für uns, die zweidimensionale Betrachtung zu überwinden und ein einzigartiges 3D-Erlebnis zu entwerfen, das alle Sinne in Besitz nimmt.

So entstand unser Konzept einer verschachtelten Oase mit einem spektakulären 198 m langen Gebäudequader mit 12 m hohen wellenförmigen Wänden sowie begrünten, höhlenartigen Öffnungen. Doch unser außergewöhnlicher Entwurf sollte nicht nur alle funktionalen Anforderungen erfüllen, sondern sich auch perfekt in die Umgebung einfügen, so nachhaltig wie möglich sein und sich zu einem neuen regionalen Wahrzeichen entwickeln. Genau das ist das Ziel unserer architektonischen Arbeit: Wir finden visuell beeindruckende Lösungen für zuweilen extrem komplizierte Szenarien.

Was bedeutet Sport für Sie als Architekt?

Sport ist schon immer ein Teil meines Lebens und hat schon früh Eingang in meine Designsprache gefunden. Ich kann es nicht ertragen, wenn ein Gebäude keine Dynamik hat. Ich muss sicherstellen, dass meine Inspirationen, meine Gedanken und Eindrücke in unsere Entwürfe einfließen, dass unsere Gebäude eine einzigartige Wirkung auf die Menschen haben und ein besonderes Erlebnis vermitteln können.

 

Welches Thema wird die Sportarchitektur in nächster Zukunft prägen?

Meines Erachtens besteht die größte Herausforderung darin, dem immer stärker werdenden Trend der Digitalisierung entgegenzuwirken. Heutzutage kann man ein Sportereignis von zu Hause aus genießen, mit Playbacks, Bodycams und Kommentaren, die vom Spielfeld live ins gemütliche Wohnzimmer gestreamt werden.

Meiner Meinung nach wird die Architektur auf diesen Trend reagieren müssen. Sie wird in der Lage sein müssen, eine Anlage, in der eine Live-Sportveranstaltung stattfindet, in einen sportbezogenen Komplex mit diversen Unterhaltungsangeboten zu verwandeln, in dem sich mühelos ein gesamter Tag verbringen lässt – mit allen damit verbundenen funktionalen Anforderungen. Diese Neuausrichtung könnte sogar dazu führen, dass wir den Live-Besuch einer Sportveranstaltung neu definieren. Vielleicht ist ein solcher schon bald nur eines der Elemente einer neuen interaktiven Sport- und Unterhaltungsbranche?

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